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Vom Sieg über die Römer bis zur Krönung Karls des Großen

Deutsche Geschichte, Teil 1

Die Germanen kämpften gegen Rom und galten lange als direkte Vorfahren der Deutschen. Aber erst Karl der Große ebnete den Weg dafür, dass sich im Lauf der Zeit eine deutsche Nation bilden konnte.

Germanien im Jahr 9 n. Chr.: Drei römische Legionen mit etwa 18 000 Mann kämpfen sich bei Regen durch den dichten Wald. Den Oberbefehl hat ein gewisser Quinctilius Varus, seit zwei Jahren Statthalter Germaniens. Er weiß nicht, dass er mit seinen Mannen direkt in einen Hinterhalt marschiert.

Plötzlich bricht die Katastrophe über das Heer herein: Von allen Seiten greifen wilde Krieger an. Sie stürzen sich mit ihren Schwertern auf die als unbesiegbar geltenden römischen Legionäre und machen sie nieder. Drei Tage lang folgt Angriff auf Angriff. Der verletzte Varus tötet sich selbst, um nicht in die Hände der Barbaren zu fallen. Am Ende des Gemetzels sind die Legionen fast komplett ausgelöscht.

  1. Karl der Große als Gesetzgeber (Deckenmalerei, 1897)

Schiefes Bild aus vergangenen Zeiten

 

Die römische Streitmacht, die das Gebiet befrieden und die Grenze des Imperiums bis zur Elbe ausdehnen sollte, wurde von einem römisch geschulten Germanen geschlagen: dem Cherusker Arminius, auch bekannt als Hermann. Mit seinem Kampf gegen Rom begann für unsere Vorfahren die Geschichte der deutschen Nation. Die Nationalsozialisten gingen noch weiter und kreierten in ihrem Wahn eine Geschichte der deutschen Herrenrasse, die über 5000 Jahre zurückblicken konnte..

Noch einmal gelang es den Römern, die Barbaren aufzuhalten. Der Ansturm der Markomannen war aber schon der Vorgeschmack auf das, was zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert Europa drastisch verändern sollte: die Völkerwanderung.

Trotz des fehlenden Wir-Gefühls der germanischen Stämme gab es einen gemeinsamen Ursprung.

 

Im dritten und zweiten Jahrtausend v. Chr. durchwanderten Nomaden die Steppen Zentralasiens und Südrusslands. Aus dieser Masse lösten sich irgendwann die Germanen, die – wie für Nomaden üblich – vorwiegend von Viehzucht und Raubzügen lebten. Sie siedelten an der Ostsee, im heutigen Niedersachsen und in Skandinavien. Zur Ruhe kamen sie dort aber nicht. Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. brachen mit Kimbern und Teutonen erstmals germanische Stämme ins römische Reich ein, wo sie zunächst für Kelten gehalten wurden. Doch die Römer merkten bald, dass sie es auf einmal mit einem neuen, unbekannten Volk zu tun hatten. Tacitus beschreibt die Germanen als Menschen mit wilden blauen Augen, rötlichem Haar und ungeschlachten Leibern. Sie galten bei den Römern als streitsüchtig und arbeitsscheu.Vorbilder für HollywoodFriedensverträge hatten damals meist nur eine kurze Haltbarkeit. Immer wieder kam es an den Grenzen zwischen Römern und einzelnen Germanenstämmen zu Auseinandersetzungen. Im Jahr 167 n. Chr. durchbrachen die Markomannen die Grenze zum Römischen Reich. 14 Jahre brauchten die Römer, um die Eindringlinge wieder vor die Tür des Imperiums zu setzen. Die Entscheidungsschlacht diente Hollywood-Regisseur Ridley Scott 2000 in seinem Film „Gladiator“ als Eröffnungsszene.

Noch heute trägt das Schwert, das Hermann auf dem im 19. Jahrhundert zu seinen Ehren errichteten Denkmal bei Detmold trägt, die Inschrift „Deutschlands Einigkeit meine Stärke, meine Stärke Deutschlands Macht“. Doch von Deutschland oder Einigkeit konnte damals, zu Lebzeiten von Arminius, nicht die Rede sein.

Der Cheruskerfürst war nicht der Held aller Germanen – der römische Schriftsteller Tacitus hat ihn in seiner Chronik „Germania“ aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. „Befreier Germaniens“ genannt. Arminius war nur der Anführer einer bestimmten Gruppe. Die germanischen Stämme bekriegten sich meist gegenseitig. Ihren gemeinsamen Namen verdanken sie den Römern, in deren Reich sie immer wieder einfielen. Ob sie sich überhaupt als Germanen fühlten und sich untereinander verständigen konnten, ist unklar – wahrscheinlich nicht.

Am Ende der Antike war auf einmal ganz Europa im Umbruch: Westgoten, Ostgoten, Vandalen, Franken und Langobarden, um die Wichtigsten zu nennen, begaben sich auf Wanderschaft.

Europa in Bewegung

Gute und böse Germanen

 

Mit den Vandalen ging die Geschichte nicht so freundlich um. Sie wurden zu den Bösewichten der Völkerwanderung. Noch heute steht Vandalismus für blinde Zerstörungswut. Die Burgunder dagegen schafften es als Protagonisten ins berühmteste deutsche Heldenepos, das Nibelungenlied.

Ausgelöst wurde die Wanderschaft durch den Ansturm der Hunnen im Osten. Wie aufgereihte Dominosteine schob eine Volksgruppe eine andere in Richtung Westen. Ziel war das Imperium Romanum, von dem sich die Völker Frieden und vor allem Wohlstand erhofften.

 

Viel ist von den meisten germanischen Volksgruppen nicht übrig geblieben, seitdem sie sich aufmachten, eine neue Heimat zu finden. Das Reich der Westgoten ging unter, als sich der Islam ab 711 über die Iberische Halbinsel ausbreitete. Die Ostgoten in Italien verschwanden 552 aus der Geschichte, als der oströmische Kaiser Justinian I. mit der Eroberung des Weströmischen Reiches begann. Felix Dahn hat 1876 das Schicksal der Ostgoten in seinem national verklärten Roman „Ein Kampf um Rom“ festgehalten.

Als der unbekannte Autor es im 13. Jahrhundert verfasste, waren die Burgunder schon längst verschwunden. Im Jahr 406 waren sie über den Rhein auf die Westseite des Flusses gekommen. Eine Zeitlang ließen sie sich am Mittelrhein nieder, zogen aber weiter südwärts, bis sie 534 von den Franken besiegt wurden.

Die Erben Roms

 

Die Franken nutzten effizient die Wirren der Völkerwanderungszeit. Sie blieben, wo sie waren, und wurden zu den Erben Roms.

 

Ihr Reich war das einzige, das die Epoche überdauerte. König Chlodwig (482 –511) und seine Nachfolger machten den vom Niederrhein stammenden Volksstamm zur ersten Macht in Westeuropa. Grundlage für den Aufstieg des Reiches der Franken war die Taufe Chlodwigs und seiner Anhänger im Jahr 496. Damit sicherte sich der Merowinger die Unterstützung der einheimischen gallo-römischen Bevölkerung in den von den Franken besetzten Gebieten. Außerdem erhielt er so die Hilfe der bereits etablierten Kirche. Die Erfolgsgeschichte der Franken war nicht mehr aufzuhalten.

 

Im 8. Jahrhundert kam es zum Wechsel an der Spitze des Reiches. 751 setzte der Sohn Karl Martells, Pippin der Jüngere aus dem Geschlecht der Karolinger, den letzten Merowingerkönig ab und machte sich mit Zustimmung des Papstes zum König. Als Gegenleistung unterstützte er den Nachfolger Petri beim Kampf gegen die Langobarden in Mittelitalien. Mit seiner „Pippinschen Schenkung“ setzte er die Grundlage für den Kirchenstaat.

 

Kaiserkrönung Karls des Großen

 

Noch deutlicher zeigte sich der Aufstieg der Karolinger im Jahr 800: An Weihnachten krönte Papst Leo III. Karl, den Sohn Pippins, zum Kaiser. Das Ereignis gilt zu Recht als ein Wendepunkt in der Geschichte Europas. Es legte die Grundlage dafür, dass es später einmal ein „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation“ geben sollte, das bis 1806 existierte.

 

Als Karl der Große 814 starb, erstreckte sich sein Einflussgebiet von der Elbe bis zu den Pyrenäen, die die Grenze gegen den Islam auf der Iberischen Halbinsel markierten. Im Süden reichte das Machtgebiet des fränkischen Kaisers bis südlich von Rom. Nach seinem Tod begann sein Reich zu zerfallen. Die Auflösung und Teilung prägte bereits die Entstehung der Nachfolgestaaten – vor allem Frankreichs und Deutschlands. Mit Karl dem Großen endet die Vorgeschichte Deutschlands. Noch wird es aber dauern, bis von deutsch oder einer Nation die Rede sein kann.

 

 

 

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